Stanze
Villa Renata, Basel
3. bis 24. September 2017
Acht künstlerische Positionen aus zwei Generationen treffen während vier Wochen unter dem Dach der Villa Renata aufeinander.
Die architektonische Struktur des Hauses wird dabei zum Konzept der selbstkuratierten Ausstellung: die Künstler beziehen ihre Zimmer, geben darin ihren Gedanken Raum – haptisch, plastisch, installativ. Die wohnliche Raumaufteilung belässt die behagliche Distanz, der sich fremden Positionen. Das Nonchalante und das Statische, das Performative und das Impressive geschieht in der Zurückgezogenheit der Räume . Gleichzeitig werden durch diese Anordnung neue Stanzen (Strophen) entstehen – Friktionen, die Altes mit Neuem verbinden.
Teilnehmende KünstlerInnen: Luigi Archetti, Eva Bertschinger, Federica Gärtner, Catrin Lüthi K, Reto Müller, Nea Nei, Bianca Pedrina, Olivia Wiederkehr
Luigi Archetti realisiert im diesem Projekt eine raumgreifende Installation mit dem Titel: Die Türe.
Allein und ungesehen möge man das Haus betreten – und an eine Ausstellung schon gar nicht denken. Denn dann greift schon „Kunst“ um sich und bläst mit ihrem Wissen ums Wer und Wohin voreilig fort, was als Ahnung und Spur eben erst hier Einzug hielt. Lassen wir für einmal das Jetzt der Dinge gelten: Wie es jenseits von Lebensläufen Bilder und Gegenstände in den Zeugenstand ruft. Wie Oberflächen und Requisiten nach der Erinnerung ans Wohnen schürfen. Wie Accessoires einer fiktiven Zukunft einschreiben, was uns als archaisch und längst überwunden gilt. Haselbäume feiern als Bilderstangen eine präzise Widerspenstigkeit. Ein Beistelltisch ruft den Zauberlehrling auf, ein dunkler Vorhang verhüllt ausgerechnet die Lampe – oder verlängert altmodisch und bodenlang deren Schirm. Im grün getünchten Keller setzt der Umriss eines Billard-Tisches der mutmasslichen Spielhölle blendend ein Denkmal.
Wo schon darf man die häusliche Intimität so schonungslos ausleuchten. Bei wem sich gedanklich die nackte Küche, ein parkettiertes Zimmer, den Blick in die Baumkronen aneignen. Der aus der Leere auferstehende Salon scheint verstummte Erzählungen wieder aufzufädeln. Die analoge Simulation von Mobiliar treibt ihr Spiel mit unseren Ideen der bürgerlichen Existenz. Gibt es sie noch, oder ist sie ein flunkernder Traum, eine Spiegelung, Collage, surreale Projektion? Was das einstige Leben im Haus an Fährten hinterliess, findet temporär Verstärkung. Geheime Leidenschaften polstern die rosa Liege im Erdgeschoss. Als Kunststoff noch neu war, schrubbte eine Frau den Kellerboden. In der Küche spielt der Wind mit einer Plastikhaut von heute, während oben ein Wolkenbild gegen die schachtelförmige Enge rebelliert. Und überall, wo etwas Fremdes sich einnistet, leuchtet es aus, was schon lange war: Die Farbe von Wand oder Türen, Bodenfliesen, funktionale Neonleuchten.
Stumm ist die Villa. Was analog und greifbar Zimmer um Zimmer einnimmt, hält Sprache von sich fern. Auch, wenn einer im schwarzen Outfit seiner E-Gitarre mit Isoliertüren jazzige Sounds entlockt, erfolgt das wortlos, in introvertierter Konzentration: jedem seine Kammer, für sich, allein. Die Grenze zwischen Dagewesenem und Hinzugefügtem war immer in Bewegung und entweicht, vielleicht, durch die nur angelehnte Tür. Die Naht zwischen Damals und Jetzt bleibt auf lange verschiebbar. Ein Zimmer rapportiert: was hätte gewesen sein können. Wovon ein Haus träumt. Das Verschwinden und Erfinden seiner Bewohner, keiner Wohngemeinschaft.
Text von: Isabel Zürcher